EuGRZ 1999 |
14. Mai 1999
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26. Jg. Heft 7-8
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Informatorische Zusammenfassung
Andreas Kley, Bern, kommentiert in seiner Anmerkung zum EGMR-Urteil Balmer-Schafroth gegen die Schweiz Probleme der gerichtlichen Kontrolle von Atombewilligungen
In Fortführung seines grundlegenden Aufsatzes über den Schutz der Umwelt durch die Europäische Menschenrechtskonvention, EuGRZ 1995, 507 ff., kommt der Autor zu folgender Bewertung:
«Für den Gerichtshof kam – aus welchen Gründen auch immer – eine Feststellung irgendeiner EMRK-Verletzung nicht in Frage. Es wäre wohl ehrlicher gewesen, hier die Acte-de-Gouvernement-Lehre anzurufen und Art. 6 Abs. 1 EMRK deshalb für unanwendbar zu erklären, wie das Rudolf Bernhardt, der letzte Präsident des „alten“ Gerichtshofes 1989 vorgeschlagen hatte. Der Gerichtshof hat Begründungen geliefert, die zu seiner bisherigen Rechtsprechung quer liegen.
Die Opfereigenschaft gemäss Art. 25 EMRK hätte zum ersten seriös geprüft werden sollen; hier wäre es noch eher vertretbar gewesen, die Opfereigenschaft (…) zu verneinen. Zweitens entzieht sich die Verneinung eines direkten Einflusses des Einspracheverfahrens auf das Recht auf physische Gesundheit und damit die Nichtanwendung des Art. 6 EMRK jeder rationalen Begründung und läuft auf eine Rechtsverweigerung hinaus. Drittens führt die Nichtanwendung des Art. 6 EMRK nicht eo ipso zu einer Nichtanwendung des Art. 13 EMRK. Es ist schwer nachvollziehbar, warum der Gerichtshof zu diesem Ergebnis kommt.
Die Begründung des Urteils ist vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung fehlerhaft. Es ist zu hoffen, dass die immer noch anhängigen Verfahren in Sachen Kernkraftwerk Beznau II und Zwilag AG dem seit 1. November 1998 amtierenden ständigen Gerichtshof Gelegenheit geben, die Sache zu überdenken und anders zu begründen.» (Seite 177)
S.a. die Übersetzung des Urteils Balmer-Schafroth gegen die Schweiz, in diesem Heft S. 183 sowie das EGMR-Urteil Guerra gegen Italien mit Anmerkung von Schmidt-Radefeldt, S. 188, 192.
Sebastian Winkler, Konstanz/München, bespricht die gegenläufigen Entscheidungen von EKMR und EGMR im Fall Cantoni gegen Frankreich zum innerstaatlich und gemeinschaftsrechtlich (RL 65/65/EWG) definierten Arzneimittelbegriff beim Apothekenmonopol
«Das Urteil Cantoni bedeutet einen Meilenstein und eine Abkehr von der in der Rechtssache M. &38; Co. von der EKMR noch vertretenen Position. Der EGMR hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, daß er von nun an Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch dann auf ihre Vereinbarkeit mit der Konvention hin überprüfen wird, wenn ihre gesetzlichen Grundlagen praktisch wortwörtlich auf den gleichlautenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts beruhen sollten. Er bestätigt damit die Erkenntnis, daß die Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung nur unter dem Vorbehalt der Wahrung der Konventionsgarantien besteht.
Zugleich aber läßt die materiellrechtlich nur teilweise überzeugende Begründung des EGMR in der Sache die Befürchtung aufkommen, der EGMR könne mit zweierlei Maß messen, sobald Gemeinschaftsrecht betroffen ist. Der neue ständige Gerichtshof für Menschenrechte sollte deshalb alles daran setzen, einenderartigen Eindruck einer Sonderbehandlung zu vermeiden, indem er seine Urteile sorgfältig begründet und sich mit allen im Verfahren vorgetragenen Gegenargumenten in nachvollziehbarer Weise auseinandersetzt.» (Seite 181)
S.a. die Übersetzung des hier besprochenen EGMR-Urteils sowie des Berichts der EKMR, in diesem Heft S. 193 und 198.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Straßburg, sieht in der fehlenden gerichtlichen Kontrolle einer Bewilligung zur Verlängerung des Kernkraftbetriebs keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK / Balmer-Schafroth gegen die Schweiz
Die Bf. wohnen als Eigentümer bzw. Mieter in Gemeinden, die sich in der Alarmzone 1 befinden, die das Kernkraftwerk Mühleberg in einem Radius von 4 bis 5 Kilometern umgibt.
Der EGMR stützt sein abweisendes Urteil im wesentlichen auf die folgende Erwägung: «Es gelang ihnen [den Bf.] nämlich nicht, zu zeigen, dass der Betrieb des Kernkraftwerkes Mühleberg sie persönlich einer Gefahr aussetze, welche nicht nur ernst, sondern auch spezifisch und vor allem auch immanent sei. In Ermangelung eines derartigen Ergebnisses blieben somit die Auswirkungen der Massnahmen, welche der Bundesrat im vorliegenden Fall in bezug auf die Bevölkerung hätte treffen können, hypothetisch. Infolgedessen wiesen weder die Gefahren noch die Auswirkungen allfälliger Schutzmassnahmen jenen Wahrscheinlichkeitsgrad auf, der das Ergebnis des Verfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes als direkt entscheidend für das von den Bf. angerufene Recht hätte erscheinen lassen. Nach Ansicht des Gerichtshofes war der Zusammenhang zwischen der Entscheidung des Bundesrates und dem von den Bf. angerufenen Recht zu lose und entfernt. Art. 6 Abs. 1 ist demnach auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.» (Seite 183)
Die überstimmten acht Richter haben dem Urteil zwei abweichende Meinungen beigegeben, in denen sie begründen, warum sie Art. 6 Abs. 1 EMRK als verletzt ansehen. (Seite 186, 188)
S.a. zu diesem Urteil den Aufsatz von Andreas Kley in diesem Heft auf S. 177 ff.
EGMR qualifiziert das Fehlen behördlicher Informationen über die Risiken von Umweltverschmutzung durch eine Chemiefabrik gegenüber den unmittelbaren Nachbarn als Verletzung ihrer Rechte aus Art. 8 EMRK / Guerra u. a. gegen Italien
Die Bf. leben in Manfredonia (ital. Provinz Foggia). Im ca. 1 km entfernten Nachbarort Monte Sant'Angelo befindet sich eine Chemiefabrik. In der Vergangenheit war es mehrfach zu Störfällen gekommen. Entgegen dem Votum der Kommission hält der Gerichtshof Art. 10 im vorliegenden Fall für nicht anwendbar. Zur Verletzung von Art. 8 EMRK führt er aus:
«Im vorliegenden Fall warteten die Bf. bis zur Einstellung der Produktion von Düngemitteln im Jahre 1994 auf wichtige Informationen, die es ihnen ermöglicht hätten, jene Gefahren besser einzuschätzen, denen sie als Bewohner der durch einen möglichen Chemieunfall besonders gefährdeten Stadt Manfredonia fortlaufend ausgesetzt waren.» (Seite 188)
Roman Schmidt-Radefeldt, Leipzig, kritisiert in seiner Anmerkung zum Guerra-Urteil des EGMR („Praktische Relevanz der EMRK für den Umweltschutz“) die unterbliebene Prüfung unter dem Aspekt des Art. 2 EMRK (Recht auf Leben)
«Bedauerlich ist die mangelnde Bereitschaft des Gerichtshofs, die positiven Schutzpflichten im Rahmen des Rechts auf Leben gem. Art. 2 EMRK fortzuentwickeln; gerade dieser Fall hätte – wie Richter Walsh in seinem abweichendem Votum ausführt – angesichts einer konkreten Lebensgefährdung der Bf. dazu Gelegenheit geboten. Trotz seiner unbestritten fundamentalen Beziehung zum Umweltschutz hat das Recht auf Leben aber bislang nur geringe ökologische Relevanz entfalten können. Anknüpfungspunkt im Fall Guerra war (wie schon in vielen anderen umweltrelevanten Fällen) die räumliche Nähe der Emissionsquelle zum Lebensmittelpunkt der Bf. und die damit verbundene Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre. Der Schutzpflichtenproblematik im Rahmen des Rechts auf Leben hingegen scheint der Gerichtshof immer dann „ausweichen“ zu wollen, wenn sich über Art. 8 EMRK eine befriedigende Lösung ergibt.» (Seite 192)
EGMR erachtet – entgegen dem Votum der EKMR (s.u. S. 198) – den innerstaatlich und gemeinschaftsrechtlich definierten Begriff des Arzneimittels für hinreichend bestimmt / Cantoni gegen Frankreich
Die Bestrafung wegen Verkaufs von Arzneimitteln in einem Supermarkt wird vom EGMR nicht beanstandet, Art. 7 EMRK (nulla poena sine lege) sei nicht verletzt.
Im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht hält der EGMR zunächst grundsätzlich fest: «Der von der Regierung betonte Umstand, daß Art. L. 511 des code de la santé publique nahezu wortgleich der Gemeinschaftsrichtlinie 65/65 entspricht, entzieht diese Bestimmung nicht dem Anwendungsbereich des Artikels 7 der Konvention.»
Als entscheidend sieht der EGMR die Tatsache an, daß der französische Kassationshof lange vor den streitigen Ereignissen die Rechtslage hinsichtlich der umstrittenen Erzeugnisse geklärt habe: «Unter Hinzuziehung geeigneter rechtlicher Beratung hätte Herr Cantoni, der zudem Leiter einer Supermarktfiliale war, zu der fraglichen Zeit wissen können, daß er in Anbetracht der Haltung der Rechtsprechung des Kassationshofes und der eines Teils der unterinstanzlichen Gerichte Gefahr lief, sich strafrechtlicher Verfolgung wegen des illegalen Verkaufs von Arzneimitteln auszusetzen. Demnach wurde Artikel 7 nicht mißachtet.» (Seite 193)
Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR), Straßburg, sieht wegen Unklarheit der Rechtslage in der Bestrafung wegen des Verkaufs von „Arzneimitteln“ in Supermarkt einen Verstoß gegen Art. 7 EMRK / Cantoni gegen Frankreich
«Die Kommission ist der Auffassung, daß der Bf., auch in seiner Eigenschaft als Gewerbetreibender und unter Heranziehung angemessener Rechtsberatung, nicht in der Lage war, mit einem vernünftigen Maß an Gewißheit zu bestimmen, ob der Verkauf der fraglichen Produkte in seiner Filiale strafrechtliche Sanktionen auslösen konnte oder nicht.» (Seite 198)
EGMR spricht den Bürgern des zur brit. Krone gehörenden Territoriums von Gibraltar – entgegen dem Votum der EKMR (s.u. S. 206) – das Recht auf Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu / Matthews gegen Vereinigtes Königreich
«Der Gerichtshof kommt deshalb zu dem Schluß, daß das Europäische Parlament sowohl in den jeweiligen Gesetzgebungsprozeß zur Annahme von Rechtsakten nach den Verfahren der Artikel 189b und 189c des EG-Vertrags als auch in die allgemeine demokratische Überwachung der Tätigkeiten der Europäischen Gemeinschaften hinreichend miteingebunden ist, um einen Teil der „gesetzgebenden Körperschaft“ für Gibraltar im Sinne des Artikels 3 des 1. ZP-EMRK darzustellen.» (Seite 200)
Europäische Kommission für Menschenrechte, Straßburg, verneint für Gibraltar Anspruch auf Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament / Matthews gegen Vereinigtes Königreich
«Die Kommission ist (…) nicht der Auffassung daß solche nicht-nationale Institutionen geeignet sind, um als Teil der „gesetzgebenden Körperschaft“ von Gibraltar im Rahmen des Artikels 3 des 1. ZP-EMRK angesehen zu werden.» (Seite 206)
EGMR bestätigt den Ausschluß arbeitsrechtlicher Klagen vor nationalen Gerichten gegen internationale Organisationen / Waite und Kennedy gegen Deutschland
Die Bf. sind Briten und waren zuletzt Angestellte einer von ihnen auf der britischen Kanal-Insel Jersey gegründeten Firma, die sie als Systemprogrammierer für die Europäische Weltraumorganisation (European Space Agency – ESA) beim Europäischen Operationszentrum für Weltraumforschung (ESOC) in Darmstadt arbeiten ließ. Die 1977 begonnene Tätigkeit der Bf. in Darmstadt endete nach Auslaufen des letzten Vertrages zwischen der Firma der Bf. und ESOC per Ende 1990. Ihre Klagen gegen die Nichtverlängerung des Vertrages vor den deutschen Arbeitsgerichten blieben erfolglos. Die Rüge der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK (Zugang zu Gericht) wird vom EGMR – wie zuvor schon von der Kommission – zurückgewiesen:
«Der Gerichtshof teilt die Schlußfolgerung der Kommission [EuGRZ 1998, 480], daß in Anbetracht des legitimen Ziels der Immunitäten internationaler Organisationen (…) die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht so vorgenommen werden kann, daß eine internationale Organisation gezwungen wird, sich in bezug auf im nationalen Arbeitsrecht vorgesehene Beschäftigungsbedingungen einem Prozeß vor nationalen Gerichten zu unterwerfen. (…)
Berücksichtigt man insbesondere die alternativen Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Bf. zur Verfügung standen, so kann nicht gesagt werden, daß die Beschränkung ihres Zugangs zu den deutschen Gerichten in bezug auf die ESA ihr „Recht auf ein Gericht“ wesentlich beeinträchtigt habe oder im Sinne von Artikel 6 Abs. 1 unverhältnismäßig gewesen sei.» (Seite 207)
EGMR sieht in Parlamentarier-Eid mit obligatorischer religiöser Eidesformel eine Verletzung der Bekenntnisfreiheit (Art. 9 EMRK) / Buscarini u. a. gegen San Marino
«Wie die Kommission in ihrem Bericht zu Recht betont, wäre es widersprüchlich, die Wahrnehmung eines Mandats, das darauf abzielt, im Parlament verschiedene Vorstellungen der Gesellschaft zum Tragen zu bringen, vorab von einer weltanschaulichen Verpflichtungserklärung abhängig zu machen. Die beanstandete Beschränkung kann demzufolge nicht als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ angesehen werden.» (Seite 213)
EGMR erklärt Beschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer für begründet / Laino gegen Italien
Das Verfahren betraf die gerichtliche Trennung von Tisch und Bett sowie die damit verbundenen Sorgerechts-, Kindesbesuchsrechts- und Unterhaltsregelungen. Es dauerte 8 Jahre und zwei Monate. (Seite 215)
EGMR wertet Verweigerung des gesetzlichen Mieterschutzes durch zypriotische Regierung als Vermieterin eines Einfamilienhauses als Verletzung von Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK / Larkos gegen Zypern
Der 1936 geborene Bf. ist pensionierter Beamter und hat seit dem 1. Mai 1967 ein dem Staat gehörendes Einfamilienhaus gemietet, in dem er mit seiner Frau und vier Kindern lebt.
Der EGMR hält der Regierung die offensichtliche Widersprüchlichkeit ihres Handelns vor: «Die Entscheidung, den gegenständlichen Mieterschutz Mietern vorzuenthalten, deren Wohnungen zwar Staatseigentum sind, die aber inmitten von Mietern wohnen, deren Wohnungen privaten Eigentümern gehören, bedarf einer besonderen Begründung, zumal der Staat selbst den Schutz dieser Gesetzgebung beansprucht, wenn er Immobilien von Privatleuten mietet.» (Seite 216)
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), Luxemburg, spricht sich bei Täuschung durch Arbeitgeber über diskriminierende Gehaltsdifferenzen gegen zeitliche Beschränkungen für die Nachforderung rückständigen Entgelts aus / Rs. Levez
«Das Gemeinschaftsrecht steht der Anwendung einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts entgegen, die den Zeitraum, für den ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf rückständiges Arbeitsentgelt und Schadensersatz wegen Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts geltend machen kann, auf die zwei Jahre vor der Einleitung des Verfahrens beschränkt und eine Verlängerung dieses Zweijahreszeitraums nicht zuläßt, wenn die verspätete Geltendmachung des Anspruchs darauf zurückzuführen ist, daß der Arbeitgeber gegenüber dem Betroffenen die Höhe des Entgelts, das Arbeitnehmer des anderen Geschlechts für die gleiche Arbeit erhalten, bewußt falsch angegeben hat.» (Seite 217)
EuGH akzeptiert die ausschließlich wirtschafts- und industriepolitische Rechtsgrundlage (Art. 130 EGV) für die Entscheidung des Rates zur „Förderung der sprachlichen Vielfalt der Gemeinschaft in der Informationsgesellschaft“
Für die vom Europäischen Parlament geforderte zusätzliche kulturpolitische Rechtsgrundlage (Art. 128 EGV) sieht der EuGH keine Notwendigkeit. Denn: «Betrachtet man den Inhalt der Entscheidung, so geht es (…) um die Entwicklung von Infrastrukturen, die Nutzung von Technologien und Ressourcen sowie die Kostensenkung durch Zentralisierung der verfügbaren Mittel oder Förderung technischer Normen im Bereich der Sprache. Von derartigen Maßnahmen läßt sich nicht sagen, daß sie unmittelbar die Verbesserung der Verbreitung der Kultur, die Erhaltung oder den Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung oder die Förderung des künstlerischen und literarischen Schaffens im Sinne von Artikel 128 Absatz 2 EG-Vertrag bewirken.» (Seite 221)
EuGH erklärt nationales Verbot der Grundbucheintragung einer Hypothek in ausländischer EU-Währung (hier: DM-Forderung in Österreich) für vertragswidrig / Rs. Trummer
«Eine nationale Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art bewirkt, daß der Zusammenhang zwischen der zu sichernden Forderung, die in der Währung eines anderen Mitgliedstaats zahlbar ist, und der Hypothek, deren Wert infolge späterer Währungsschwankungen geringer sein kann als der Wert der zu sichernden Forderung, gelockert wird, was die Wirksamkeit und somit die Attraktivität einer solchen Sicherheit zwangsläufig verringert.» (Seite 225)
High Court, Queen's Bench Division (Divisional Court), London, präzisiert Kriterien für die richterliche Beurteilung der Dauer von Untersuchungshaft unter Berücksichtigung der EMRK
Lord Bingham führt allgemein aus: Bei ihren Entscheidungen über die Verlängerung der Untersuchungshaft müßten die Gerichte strenge Maßstäbe anlegen. Es sei wichtig, daß sie nicht nur die Entscheidung verkündeten, sondern auch die Gründe darlegten, die zu der Entscheidung geführt hätten. Bei Gewährung einer beantragten Verlängerung sollten die Gerichte auch ausdrücklich erklären, warum sie die Bedingungen des Art. 22 Abs. 3 des Strafverfolgungsgesetzes für erfüllt erachteten; vor allem müsse dem Beschuldigten erläutert werden, warum seine Haft verlängert werde. Werde ein Verlängerungsantrag abgelehnt, habe die Anklage Anspruch auf Kenntnis der Gründe, die das Gericht zu der Ablehnung veranlaßt hätten. (Seite 227)
Schweizerisches Bundesgericht (BGer), Lausanne, verfügt nach erfolgreicher Menschenrechtsbeschwerde im Wege der Revision gem. Art. 139a OG Rückerstattung der von den Erben gezahlten Steuerbusse, bestätigt jedoch die Steuernachforderung
«Gemäss dieser Vorschrift [Art. 130 Abs. 1 BdBSt] haften die Erben „bis zur Höhe ihrer Erbteile solidarisch für die vom Erblasser hinterzogene Steuer und von ihm verwirkten Bussen ohne Rücksicht auf ein eigenes Verschulden.“ Diese Bestimmung erweist sich nach den Motiven, die der Gerichtshof seinem Entscheid [vom 29. August 1997] zu Grunde gelegt hat, als konventionswidrig. Wortlaut und Sinn von Art. 130 Abs. 1 BdBSt sind klar, so dass ein mit der Konvention im Einklang stehendes Resultat sich auch nicht durch eine „konventionfreundliche“ Auslegung des Gesetzes erzielen lässt. Die Schweiz kann somit ihren Verpflichtungen aus Art. 50 und 53 EMRK nur nachkommen, wenn sie diese Norm nicht anwendet.» (Seite 229)
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Karlsruhe, korrigiert fortgesetzte Untätigkeit des Gesetzgebers bei einer realitätsgerechten Berücksichtigung der Unterhaltspflichten von Beamten mit mehr als zwei Kindern
«(…) Vergleichsberechnungen zeigen, daß die Besoldung verheirateter Beamter mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern in den die Vorlageverfahren betreffenden Besoldungsgruppen in bezug auf das dritte und jedes weitere Kind den verfassungsgebotenen Mindestabstand von 15 v.H. zur Sozialhilfe nicht eingehalten hat. Es wurde nicht einmal der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf für ein Kind durch die bei steigender Kinderzahl gewährten Nettomehrbeträge ausgeglichen. Dies gilt in den Jahren 1988 und 1989 für die hier allein zu überprüfende Besoldungsgruppe B 2 auch unter Hinzurechnung von 50,– DM je Kind im Monat (Art. 14 &Par; 3 Reformgesetz).
Nach alledem hat der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten. Er ist mit den zur Prüfung vorgelegten Regelungen deutlich unterhalb der Grenze geblieben, welche die den Beamten der jeweiligen Besoldungsgruppen mit mehr als zwei Kindern geschuldete Alimentation nicht unterschreiten darf.»
Als Konsequenz fortgesetzter gesetzgeberischer Untätigkeit verfügt das BVerfG: «Erfüllt der Gesetzgeber seine durch diese Entscheidung erneut festgestellte Verpflichtung nicht bis zum 31. Dezember 1999, so sind die Dienstherren verpflichtet, für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 v.H. des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes zu gewähren (vgl. oben C. III. 3., S. 237). Die Fachgerichte sind befugt, familienbezogene Gehaltsbestandteile nach diesem Maßstab zuzusprechen.» (Seite 231)
BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerden gegen Regelungen der postmortalen Organentnahme des Transplantationsgesetzes nicht zur Entscheidung an
Die 1. Kammer des Ersten Senats verweist die Bf. in zwei getrennten Verfahren auf die gesetzliche Möglichkeit, der postmortalen Organentnahme noch zu Lebzeiten zu widersprechen. (Seite 241, 242)
Georgien ist 41. Mitgliedstaat des Europarates in Straßburg
Der Beitritt wurde in Anwesenheit des Präsidenten von Georgien, des früheren sowjetischen Außenministers Eduard Schewardnaze am 27. April vollzogen. Georgien hat sich u. a. verpflichtet, die EMRK mit den Protokollen Nr. 1, 4, 6 und 7 (Eigentumsschutz u. a.; Freizügigkeit u. a.; Abschaffung der Todesstrafe und ne bis in idem u. a.) sowie die Anti-Folter-Konvention innerhalb eines Jahres zu ratifizieren. (Seite 242)
BVerfG lehnt Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen gesetzliche Neuregelung der 630 Mark-Jobs ab
Die 1. Kammer des Ersten Senats sieht die Pressefreiheit der beschwerdeführenden Zeitungsverlage bzw. verlagseigenen Zustellgesellschaften durch das allein gerügte Fehlen einer Übergangsregelung nicht als verletzt an. (Seite 243)