EuGRZ 1997 |
30. April 1997
|
24. Jg. Heft 1-4
|
Informatorische Zusammenfassung
Uwe Kischel, Mannheim/Karlsruhe, untersucht Notwendigkeit und Inhalte einer allgemeinen Dogmatik des Gleichheitssatzes in der Europäischen Union
«Im Europarecht fehlt eine allgemeine Dogmatik des Gleichheitssatzes. Das dürfte vor allem daran liegen, daß die Gründungsverträge nur punktuelle Gleichheitsgewährleistungen und keinen allgemeinen Gleichheitssatz enthalten. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat jedoch bereits in den 70er Jahren einen allgemeinen Gleichheitssatz als Gemeinschaftsgrundrecht entwickelt, als dessen besondere Ausprägungen die speziellen Gleichheitssätze nunmehr gelten. Damit stellt sich die bislang nicht erfüllte Aufgabe, die Erkenntnisse im Bereich des einen Gleichheitssatzes in die Diskussion der anderen Gleichheitssätze einzubeziehen, das Verhältnis der speziellen Gleichheitssätze zum allgemeinen Gleichheitssatz genauer auszuleuchten und so schrittweise eine allgemeine Dogmatik des Gleichheitssatzes im Europarecht zu entwickeln. (…)
Nicht nur werden Einzelergebnissen von Wissenschaft und Rechtsprechung zu Denkanstößen für alle Gleichheitssätze führen. Vielmehr sollten sich Zentrum und Ansatzpunkt der Entwicklung insgesamt von den einzelnen Gleichheitsgewährleistungen hin zu dem Gleichheitssatz verschieben und so in der hier beschriebenen Art dazu beitragen, den noch vorherrschenden, gleichheitsrechtlichen Partikularismus zu überwinden.» (Seite 1)
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), Luxemburg, präzisiert aufenthalts- und arbeitsrechtliche Ansprüche für türkische Arbeitnehmer im Rahmen des Assoziierungsabkommens EG-Türkei
Der Kläger des Ausgangsverfahrens, Recep Tetik, hatte acht Jahre lang auf deutschen Seeschiffen ordnungsgemäß als Seemann gearbeitet. Er kündigte, um sich an Land eine Erwerbstätigkeit zu suchen. Die Berliner Behörden verweigerten dem Kläger die dazu notwendige, von ihm auch unverzüglich beantragte, Aufenthaltserlaubnis.
Auf Vorlage des BVerwG stellt der EuGH u.a. fest: «Zwar genießen türkische Arbeitnehmer im Gegensatz zu den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft, sondern besitzen nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sie rechtmäßig eingereist sind und in dem sie eine bestimmte Zeit lang eine ordnunsgemäße Beschäftigung ausgeübt haben.
Gleichwohl muß ein türkischer Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit haben, innerhalb eines angemessenen Zeitraums im Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich eine neue Beschäftigung zu suchen, und entsprechend muß ihm während dieses Zeitraums ein Aufenthaltsrecht zustehen, und zwar ungeachtet des Umstands, daß er selbst seinen früheren Arbeitsvertrag gekündigt hat, ohne unmittelbar anschließend ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. (…)
In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem die nationalen Rechtsvorschriften einen solchen Zeitraum nicht vorsehen, ist es Sache des nationalen Gerichts, diesen Zeitraum im Lichte der Umstände des ihm vorliegenden Einzelfalls zu bestimmen.» (Seite 11)
Verwaltungsgerichtshof (VwGH), Wien, bestätigt Anwendbarkeit des Assoziationsabkommens EG-Türkei seit EU-Beitritt Österreichs auch bei z.Zt. noch fehlender innerstaatlicher Rechtsanpassung
Die Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige und lebt seit 1978 bei ihrem seit 20 Jahren in Österreich aufenthaltsberechtigten und beschäftigten Ehemann ständig in Österreich. Sie will von den zuständigen Behörden festgestellt wissen, daß sie berechtigt sei, auch ohne zusätzliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz jede von ihr gewählte Arbeit in Österreich aufzunehmen und stützt sich dabei auf das Assoziationsabkommen EG-Türkei, insbes. Art. 7 des Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 1/80.
«Der Verwaltungsgerichtshof hat daher keinen Zweifel, daß auch die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 unmittelbar anwendbar ist, und daß keine Ermächtigung besteht, die Ausübung des darin festgelegten Rechts an Bedingungen zu binden oder einzuschränken. Durch die Nichtanwendung dieser Bestimmung kann die Beschwerdeführerin daher gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG in Rechten verletzt sein.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies demnach, daß sich die Beschwerdeführerin auf Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates selbst dann mit Erfolg berufen kann, wenn allfällige Anpassungen bzw. Ergänzungsprotokolle nicht errichtet wurden, weil eine etwa die Stellung Österreichs im Assoziationsrat berührende Anpassung ihr nicht entgegengehalten werden darf.
Vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage wird eine entgegenstehende innerstaatliche Rechtsnorm in diesem Umfang vom Gemeinschaftsrecht verdrängt.» (Seite 20)
Schweizerisches Bundesgericht (BGer), Lausanne, bekräftigt verfassungsrechtliche Anforderungen an die Begründung von Haftprüfungsentscheiden / hier: 9monatige U-Haft
«Gerade weil es sich beim Haftrichter im einstufigen zürcherischen System um die einzige richterliche Haftprüfungsinstanz handelt, darf an die Begründungspflicht bzw. an die Gewährung des rechtlichen Gehörs kein tiefer Massstab angelegt werden. (…) Zu berücksichtigen ist auch, dass es bei der Frage der Zulässigkeit von Untersuchungshaft um einen äusserst schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit geht. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass es der Haftrichter auch unterlassen hat, wenigstens nachträglich, in einer Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde, auf die Argumente des Beschwerdeführers einzugehen. (…)
Es ist grundsätzlich nicht die Aufgabe des Bundesgerichtes als Staatsgerichtshof, in den Akten selbständig nach allfälligen ausreichenden Haftgründen zu forschen. Im vorliegenden Fall gehen zureichende Haftgründe nicht liquide aus den Akten hervor. Vielmehr ist es Sache des kantonalen Haftrichters, sich mit den wesentlichen Einwänden des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen und nötigenfalls die erforderlichen Beweise zu erheben. (…) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist.» (Seite 15)
Verfassungsgerichtshof (VfGH), Wien, bestätigt die Verpflichtung der unabhängigen Verwaltungssenate zur umfassenden rechtlichen Prüfung faktischer Amtshandlungen
«Die beiden Beschwerdeführer erachteten sich in ihrer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat durch sicherheitspolizeiliche Maßnahmen in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und auf Unterlassung einer erniedrigenden Behandlung verletzt. (…)
Die Anführung bestimmter verfassungsgesetzlicher (oder sonstiger) Normen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des bekämpften Verwaltungsaktes ergeben soll, enthebt weder den unabhängigen Verwaltungssenat der Verpflichtung zur umfassenden rechtlichen Prüfung des angefochtenen Aktes noch beschränkt sie das Recht der Partei, die über ihre Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z 2 AVG ergehende Entscheidung des Verwaltungssenates gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof (wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte) oder gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG vor dem Verwaltungsgerichtshof (wegen Verletzung einfachgesetzlich verbürgter Rechte, zB Verfahrensrechte) anzufechten.» (Seite 17)
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Karlsruhe, billigt Tilgungspflicht für Altschulden der ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR
«Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG wird durch die Feststellung des Bundesgerichtshofs, daß der DG Bank gegen die LPG, deren Gesamtvollstreckungsverwalter der Beschwerdeführer ist, eine Forderung aus einem Kreditverhältnis zusteht, nicht berührt.» Ebenso verhält es sich mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit.
Der Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit ist nicht zu beanstanden. Hierzu führt das BVerfG u.a. aus: «Weder trifft die Ansicht zu, daß in der Deutschen Demokratischen Republik Rechtsbeziehungen, die für einen Rechtsstaat anerkennungsfähig wären, überhaupt nicht entstehen konnten, noch ist es richtig, daß mit der Verfassung eines Territoriums auch die in ihm bestehenden Rechtsbeziehungen untergehen. Beim Verfassungswechsel ist vielmehr die Kontinuität der nicht unmittelbar verfassungsrechtlich begründeten Rechtsbeziehungen die Regel, während ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet wird. Davon geht auch das intertemporale Privatrecht aus, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung annimmt.
Der Umstand, daß sich die Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik von derjenigen der Bundesrepublik in Leitvorstellungen und Ausformungen grundlegend unterschied, führt ebenfalls nicht dazu, daß sämtliche Rechtsbeziehungen wie Ehen, Verwandtschafts-, Arbeits-, Mietverhältnisse, Vereinsmitgliedschaften endeten und unter den neuen Bedingungen erneut begründungsbedürftig geworden wären. Das gilt nicht nur für Rechtsbeziehungen, die systemneutral sind, sondern auch für Rechtsbeziehungen, die zwar in derjenigen Form, die sie als Ausprägung des sozialistischen Rechtssystems in der Deutschen Demokratischen Republik gefunden hatten, in der Bundesrepublik nicht hätten entstehen können, aber auch nicht Ausdruck des besonderen Unrechtsgehalts der früheren Ordnung sind. Letzteres ist bei den Kreditbeziehungen zwischen LPG und BLN nicht der Fall.
Auch die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Fortbestand der Altschulden stehenden Entschuldungsregelungen genügen den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts.» (Seite 25)
BVerfG bestätigt Grundmandatsklausel des § 6 Bundeswahlgesetz
«Fünfprozentsperrklauseln sehen die Landeswahlgesetze sämtlicher Bundesländer ebenso vor wie das deutsche Wahlrecht zum Europäischen Parlament. Grundmandatsklauseln regeln daneben noch die Wahlgesetze von Berlin (§ 18; ebenso Art. 39 Abs. 2 der Verfassung von Berlin), Brandenburg (§ 3 Abs. 1 Satz 1), Sachsen (§ 6 Abs. 1) und Schleswig-Holstein (§ 3 Abs. 1). In Sachsen ist der Gewinn von zwei Wahlkreisen erforderlich, in den anderen Ländern genügt ein Grundmandat.
Über die Grundmandatsklausel gelangten bisher in den Deutschen Bundestag: 1953 die Deutsche Partei (DP) und das Zentrum, 1957 dieDP (…) sowie 1994 die PDS.»
Weiter heißt es in dem Urteil: «Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers unterläuft die Regelung nicht die mit der Sperrklausel verfolgte Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments. Nach bisherigen Erfahrungen bleibt das Erringen von drei Wahlkreisen durch eine kleine Partei die seltene Ausnahme. Zwischen der Bundestagswahl 1957 und der hier in Rede stehenden Wahl ist der Gewinn von drei Wahlkreisen weder einer Partei mit einem Zweitstimmenanteil von weniger als 5 v.H. gelungen noch der F.D.P. oder den GRÜNEN (jetzt: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Angesichts dieser politischen Wirklichkeit muß der Gesetzgeber auch für die Zukunft nicht in Rechnung stellen, daß die Grundmandatsklausel zu einer die Funktionsfähigkeit des Bundestages beeinträchtigenden Aufsplitterung der im Parlament vertretenen Kräfte führen kann.» (Seite 41)
Bundesverfassungsgericht (Zweiter Senat) erklärt in einer 4:4-Entscheidung Überhangmandate gem. §§ 6 und 7 Bundeswahlgesetz für verfassungsgemäß
Nach der Auffassung der vier Richter (Kruis, Kirchhof, Winter und Jentsch), welche die Entscheidung trägt, entsprechen die zur Prüfung gestellten Vorschriften der Verfassung. Allerdings hat der Gesetzgeber darauf zu achten, daß sich die Zahl der Überhangmandate in Grenzen hält: «Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, daß die Bundestagswahl – infolge des auf der zweiten Stufe der Wahl durchzuführenden und in § 6 Abs. 4 BWG normierten Verhältnisausgleichs und unbeschadet der vorgeschalteten Direktwahl der Wahlkreiskandidaten nach den Prinzipien der Mehrheitswahl – den Grundcharakter einer Verhältniswahl trägt (…): Überhangmandate differenzierten – je nach der Anzahl der entstandenen Überhangmandate in unterschiedlichem Grade – den verhältniswahlrechtlich verstandenen Erfolgswert der Wählerstimmen. Eine solche Differenzierung sei aber als die notwendige Folge des besonderen Charakters der personalisierten Verhältniswahl mit der Wahlgleichheit nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar, solange die Wahlkreise im Rahmen des Möglichen annähernd gleich groß seien (…). Das Bundesverfassungsgericht hat damit das Überhangmandat verfassungsrechtlich anerkannt, auch wenn sich darauf eine Mehrheit im Bundestag und die Wahl einer Bundesregierung gründen sollte. An dieser Rechtsprechung ist im Ergebnis festzuhalten. (…)
Was die der Wahlrechtsgleichheit zuwiderlaufende unterschiedliche Größe der Wahlkreise und deren ungleiche Verteilung auf die Länder betrifft, welche gleichfalls das Entstehen von Überhangmandaten begünstigt, hat der Bundestag einen Korrekturbedarf erkannt und vorgesehen, daß im Rahmen der für die übernächste Bundestagswahl bereits beschlossenen Verringerung der Abgeordnetenzahl auch die Wahlkreise neu zugeschnitten werden. Diese Korrekturfrist ist auf der Grundlage des eindeutig erklärten gesetzgeberischen Willens verfassungsrechtlich hinzunehmen.»
Die anderen vier Richter (Präsidentin Limbach, Graßhof, Sommer und Hassemer) sind der Auffassung, «daß die angegriffenen Regelungen seit der Beschlußfassung zum 13. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 15. November 1996 insoweit gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen, als sie Überhangmandate auch dann ohne Verrechnung oder Ausgleich zulassen, wenn diese in einem Umfang anfallen, der eine Verschiebung des Gewichts der Wählerstimmen bewirkt, die in ihrem Ausmaß über Unschärfen hinausgeht, welche mit jeder Sitzzuteilung im Proportionalverfahren unausweichlich verbunden sind.» (Seite 46, 55)
BVerfG legt die rückwirkende Verlängerung der Mietpreisbindung bei Sozialwohnungen verfassungskonform aus
Gegenstand der Vorlagen ist die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß die gesetzliche Verlängerung von Bindungsfristen für öffentlich geförderte Wohnungen und die Änderung von Regelungen über die Bemessung der Kostenmiete in Fällen freiwilliger vorzeitiger Darlehensrückzahlung auch dann gelten, wenn die Darlehen schon vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zurückgezahlt worden sind.
Das BVerfG führt hierzu aus: «Abstriche an der Schutzwürdigkeit des Vertrauens sind auch deshalb angebracht, weil die staatliche Förderung maßgeblich zur Schaffung der betroffenen Eigentumsposition beigetragen hat (…). Dieser Umstand gibt dem Gesetzgeber die prinzipielle Legitimation, laufend darauf hinzuwirken, daß der mit dem Einsatz öffentlicher Mittel verfolgte Gemeinwohlzweck nicht vereitelt wird. Dies hat der Eigentümer, der sein Eigentum im Zusammenwirken mit der öffentlichen Hand in den Dienst einer langfristigen öffentlichen Aufgabe gestellt hat, bei seinen Dispositionen zu berücksichtigen.
Das öffentliche Interesse an der Gesetzesänderung überwiegt das Bestandsinteresse der Eigentümer allerdings nur dann, wenn gesichert ist, daß der durch die Rückzahlung herbeigeführte vermögenswerte Vorteil nicht bei der öffentlichen Hand verbleibt. (…) Dabei kann das Bundesverfassungsgericht die einfachrechtliche Frage, ob sich der Rückgewährsanspruch nach Bereicherungs- oder Erstattungsgrundsätzen richtet, offen lassen, wenn nur feststeht, daß eine Rückgewähr von Verfassungs wegen erforderlich ist.» (Seite 67)
Europäisches Parlament (EP), Straßburg, verabschiedet erste Vorschläge zur konstitutionellen Stellung der Europäischen Politischen Parteien
Die Entschließung basiert auf einem Bericht des Abgeordneten Dimitris Th. Tsatsos (Soz./GR), der Ziel, Inhalte des Verfassungsauftrags aus Art. 138a EGV und rechtliche Formen seiner Verwirklichung herausarbeitet. Grundlegend hebt der Berichterstatter hervor:
«Politische Willensbildung auf der Ebene der Europäischen Union betrifft zunehmend Lebensfragen der europäischen Gesellschaft und auch unmittelbar ihre Bürger – man denke an die Gesetzgebung zur Verwirklichung des Binnenmarktes, die Wirtschafts- und Währungsunion, an gemeinsame Maßnahmen zur Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit. In gleichem Maße müssen die Anforderungen an die demokratische Legitimation dieser Willensbildung wachsen. Dies ist nicht nur eine Frage der Reform der Institutionen, sondern auch der angemessenen Repräsentation, einer geradezu hörbaren Artikulation der gesellschaftlichen Kräfte in diesen Institutionen. (…)
Mit der Überwindung einer in sich abgekapselten nationalen politischen Willensbildung würden Europäische Politische Parteien einen entscheidenden Beitrag zur Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas leisten. Dies wäre nicht nur ein Beitrag zu größerer Bürgernähe und Glaubwürdigkeit der Europäischen Institutionen, sondern auch ein hilfreicher Schritt bei dem Bemühen, die bestehende Glaubwürdigkeitskrise der nationalen Parteiinstitutionen zu überwinden.» (Seite 77, 78)
In diesem Zusammenhang siehe auch die Daten über das von Tsatsos gegründete Institut für Deutsches und Europäisches Parteienrecht an der FernUniversität Hagen. (Seite 83)
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), Luxemburg, verhandelt über die Vorlage-Frage des österr. OGH, ob und ggf. mit welchen Rechtsfolgen Bestimmungen der EMRK (Art. 5, 6 und 53) «Bestandteil des Gemeinschaftsrechts» sind.
Im Ausgangsverfahren geht es konkret um die innerstaatliche Bindungswirkung eines auf Verletzung von Verteidigungsrechten in einem Mord-Verfahren lautenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Die Urteilsverkündung des EuGH ist auf den 29. Mai terminiert. (Seite 83)